GUDRUN
Text & Bio ¬
Gudrun Kampl
CUT | Scherenschnitte im Museum Moderner Kunst Kärnten
vom 17.03.2011 bis 22.05.2011
Christine Wetzlinger-Grundnig
Bei Gudrun Kampl ist der Scherenschnitt eine direkte Ableitung aus den von ihr angewandten Technologien und nicht a priori das Medium ihrer Wahl. Die Künstlerin formuliert Ihre Arbeiten seit jeher in Techniken und Werkstoffen, die traditionell dem genuin Weiblichen zugeschrieben werden. Sie macht damit geschlechtlich etablierte Rollen und Klischees augenscheinlich und bringt sie in Diskussion. Ihre Arbeiten entwickeln sich in den wenig anerkannte Kategorien von Handarbeit, Ornament und Dekor.
Kampls Themenbereiche beziehen sich schwerpunktmäßig auf die subjektive Identität – auf ihre Existenz als Frau in einer westlichen, katholisch geprägten Gesellschaft, auf Konventionen und Tabus, auf Machtverhältnisse, ihr Regelwerk und ihre manifesten Erscheinungsformen – und in diesem Zusammenhang generell auf Körperlichkeit, explizit die eigene weibliche, konkret auf den Leib, auf seine Präsentation und Inszenierung sowie auf seine Funktionen und Bedingungen, von der Sexualität bis zum Tod.
Ebenso bedeutend und inhaltlich damit eng verbunden sind die Auseinandersetzung mit dem Material und seine spezifische Anwendung. Bewusst werden Stoffe gewählt, deren Qualitäten die künstlerische Aussage befördern, deren formale und sinnliche Eigenschaften und Suggestionskraft in der Rezeption als Multiplikatoren wirksam werden.
Im Mittelpunkt des Oeuvres stehen neben filigranen Papierschneidearbeiten vor allem Textiltechniken in verschiedenartigen Stoffen, die als Grundlage der Herstellung vielfältiger Objekte von großem haptischen und ästhetischen Reiz dienen. Allen voran blutroter Samt, dessen Materialkonnotation sowohl auf sakrale als auch profane Zuschreibungen verweisen und mannigfaltige und ambivalente Assoziationen hervorrufen, auf Prunk und Erotik aber ebenso den Schein des Theaters und den Schmuddel der Halbwelt zitieren.
Die textilen Tableaus der Ausstellung, unterscheidbar in so genannte Ornamentbilder und Tastgedichte, sind in dem typischen roten Samt gefertigt, der das gesamte Tafelgeviert umspannt. Aus ihm sind die Formen in schmalen Stegen heraus geschnitten, sodass tendenziell regelmäßige Muster entstehen, die, selbst dreidimensional, nun ihrerseits Schatten auf die dahinter liegende Wand werfen – sodass es gewissermaßen zu einer Umkehrung des klassischen Scherenschnittverfahrens kommt. Zuerst der Schnitt, dann das Objekt, zum Schluss seine Schattenprojektion und Abstraktion in der Fläche. Die Werke entwickeln ihren Reiz im Spiel von Licht und Schatten, im Spannungsverhältnis von Immaterialität und Materialität, von visuellen und taktilen Phänomenen.
In den Ornamentbildern kombiniert die Künstlerin Elemente des Renaissancedekors mit Versatzstücken, die sie aus der Beschäftigung mit Kulturgeschichte und Religion gewinnt und mit Figuren aus Mythen und Märchen, die sie beliebig zusammenstellt um neue Sinngehalte zu generieren.
Die Tastgedichte geben Textvorlagen zeitgenössischer und historischer Autoren wieder – z. B. von Peter Turrini oder des Barocklyrikers Andreas Gryphius –, die sich auf Liebe, Leben und Tod beziehen. Die Grafismen der linearen Schrift werden ins Monumentale transferiert und gewinnen Körper. Die Inhalte konkretisieren sich materiell und treten mit der Ambivalenz des Materials in Dialog, sodass sich beide entweder gegenseitig in ihrer Aussagekraft steigern oder sich im scharfen Widerspruch konterkarieren: das Angenehme, das Edle und Ewigliche trifft auf Ekel, Angst und Vergänglichkeit. Die Texte sowie die Konnotationen und Qualitäten des Materials evozieren widersprüchliche Vorstellungen, Gefühle und Sehnsüchte, die zwischen Begehren und Abscheu oszillieren, sie fordern die Sinne und steigern das Verlangen nach Berührung. Gudrun Kampl macht die Inhalte ihrer Arbeit im wahrsten Sinne des Wortes nicht nur sicht- sondern vor allem begreifbar; fassbar in der Art einer Rückversicherung ihrer (und der eigenen) Existenz.
Gudrun Kampl
Verwandlung
2008 widmete Gudrun Kampl ihre Ausstellung „Die letzte Vorstellung“ den großen Figuren der Liebe aus der Art Lyrique (u.a. Don Giovani) und der barocken Dichtung. Schriftobjekte, Schriftbilder und detailreiche Wandbehänge erforschten ein künstlerisches Modell, das den natürlichen, menschlichen Gefühlen mehr Raum gegeben hat, als die Tradition es erlaubte und zeigten, dass Mythos Inszenierung braucht.
Das Dasein des Körpers, als der immer schon Abwesende, aber Omnipräsente durch das, was ihn kleidet, schützt und umfängt, wird in diesem Arrangement von Objekten durchgespielt. Es scheint nahe zu liegen, zu sagen: ich bin, womit ich mich umgebe - was die vermeintliche Freiheit im Wählen, Vermeiden und Auswechseln von Gütern, Sehnsüchten und Gefühlen betrifft.
Mit ihren letzten Arbeiten übernimmt und verwandelt Gudrun Kampl nochmals symbolisch aufgeladene Gegenstände wie liturgische Gewänder, Vodoofiguren, spinnenartige Objekte. Diese bewusste Verwandlung von Form und Zweck deutet auf Gregors unfreiwillige Metamorphose in "Die Verwandlung" von Franz Kafka.
Gudrun Kampls neue Werke können als eine Verstofflichung von Vorgängen, Zuständen und Gefühlen beschrieben werden – in Stoff geronnene Träume. Samt ist hierfür sowohl das bevorzugte Material , als auch die verwendete Metapher.
Gudrun Kampl
LiebKind
03.04. – 11.07.2004
Kuratiert von Andrea Domesle
Die Arkadenhalle des Museums der Moderne Salzburg Rupertinum ist gefüllt mit Kleider und Objekte. Eine Himmelsleiter, eine Putenschaukel, ein Käfig, ein Traumfänger, ein Tisch, eine Stabpuppe, ein Spinnenmobile, Bälle, Teddybären und andere Gegenstände liegen verstreut. Tritt der Besucher in diesen Raum, erlebt er eine seltsame Verwandlung: der Tisch reicht bis zur Brust, die Bälle sind kniehoch, die Putenschaukel beginnt über den Schultern und der Käfig zwängt ein. Es ist wie im Märchen, die Gegenstände haben eine Verwandlung erfahren: sie sind gewachsen und anstatt ihrer gewohnten Materials sind sie aus blutroten Samt, aus Haut oder aus Polyesther gefertigt.
Hat sich der Besucher verwandelt? Ist er geschrumpft? Gudrun Kampl (geb. 1964 in Klagenfurt, lebt in Wien) versetzt uns in ihrer eigens für die Arkadenhalle geschaffenen Installation „LiebKind“ zurück in die Kindheit.
Nicht nur gedanklich, sondern körperlich können wir die Emfpindungen des Kindes noch einmal erleben: das Bedürfnis sich in Höhlen zu verkriechen, sich zu verstecken und Rollen zu erproben durch Verkleidung und Spiel. Wir erleben die Angst und das Gruseln vor der riesigen Spinne, die seltsame Freude an als ekelig bezeichneten Dingen, das bohrende Interesse an Tabus und das Ausloten von gesteckten Grenzen.
Die Künstlerin zeigt sich in ihrer neuen Arbeit wieder einmal als Meisterin der Verwandlung und erzeugt ein Hin- und Herschwanken zwischen gegensätzlichen Gefühlen - zwischen Kuschelig und Hartem, Erlaubtem und Verbotenem, Eindeutigem und Unterschwelligem oder Gewalt und Zuneigung.
Eine wesentliche Inspirationsquelle von Gudrun Kampl ist der Surrealismus; für diese Ausstellung im besonderen die Kunst von Victor Brauner, der zeitgleich in einer Einzelausstellung des Hauses präsentiert wird. Kampl gelingt es, eine eigene Handschrift und Symbolik zu entwickeln, um Themen unserer Zeit in zeitgenössischer Sprache umzusetzen. Sie wurde daher als junge Position im Rahmen des diesjährigen Themenschwerpunktes „surreal“ ausgewählt.
Text & Bio
GUDRUN
Geboren 1964 in Klagenfurt, lebt in Wien
Gudrun Kampl studierte von 1983 bis 1990 an der Universität für angewandte Kunst in Wien Experimentelle Gestaltung in Malerei und Graphik, sowie Trickfilm bei Maria Lassnig.
1992 erhielt sie ein New York Stipendium, (Ornamentik und Materialkunde, Bundesatelier, New York)
1995 ein Paris Stipendium, (Körperarbeiten, Atelier Cites des Artes, Paris) Auslandsstipendium Guadalajara, Mexiko,
1996 ein Arbeitsstipendium für Brasilien,
1996 für Indien (Stiftung Sanskrit, New Delhi) und
1998 das Österreichische Staatsstipendium für bildende Kunst.
Preise
1988 Preis der Viennale, Wien
1989 Geist & Form XII, Wien
1992 Internationaler Preis für Malerei, Erfurt, Deutschland
1993 Leopold Goes Preis, Klagenfurt
1994 Bauholding Kunstpreis, Klagenfurt
2009 Kunst.Volksbank.Kärnten -Preis
Ausstellungen (Auswahl der letzten Jahre)
2011
Paradise, Galerie Steinek ,Wien
2010
Ringturm.Kunst, Museum Leopold, Wien
femme fatale, Frohnerforum, Krems
Mutter, Kulturzentrum Minoriten, Graz
Schlafende Schönheit, Belvedere, Wien
2009
Lentos Museum, Linz , Kreuzungspunkt
Kunst.Volksbank.Kärnten - Preis, Künstlerhaus Klagenfurt
Panorama, Galerie Steinek, Wien
2008
Kunst im Spiel, Museum Moderner Kunst, Klagenfurt
Die letzte Vorstellung, Galerie Steinek, Wien
Labyrinthe, Sala Terrena, Salzburg, Galerie Walker
K08, Museum Moderner Kunst, Klagenfurt
2007
Intervention, Belvedere, Wien
Tod in Samt, MMKK Kärnten
2006
Faltenwurf und Ruhmeshüllen, Galerie Walker -Schloss Ebenau, Kärnten
Sammlung II, Museum Moderner Kunst, Kärnten
Der Schuh in der Kunst, Traklhaus, Salzburg
2005
Blickwechsel, Museum Moderner Kunst ; Klagenfurt
ART-ROBE, Women artists at the nexus of art and Fashion,
Hall SÈgur, Salle des pas perdu, UNESCO 7, Paris
Vision einer Sammlung, Museum der Moderne Salzburg
2004
Liebkind, Museum der Moderne - Rupertinum, Salzburg
opening, Museum im Mönchsberg, Salzburg
Paulas home, Lentos Museum, Linz
Sag Baby zu mir, Galerie Steinek, Wien
Gegenpositionen, Museum Moderner Kunst, Passau
Kunst-Stoff, Galerie nächst St. Stephan, Wien
2003
Dressdouble, Galerie Wysokosc, Warschau, Polen
Sex in Österreich, Galerie Accademia, Salzburg
Künstlerinnen von 1945 bis heute, Kunsthalle Krems
2002
Der ironische Blick, Oskar Kokoschka Galerie, Prag
2001
Bodydouble, Galerie Steinek, Wien
Fallobst, Sammlung Essl, Klosterneuburg
2000
Reise ins Herz, Kunstforum Bad Oeynhausen
Die neue Künstlergeneration, Kunsthalle Krems
Wahrnehmungen, Landesgalerie Klagenfurt, Kärnten
1999
Das Jahrhundert der Frauen, Kunstforum Bank Austria, Wien
Photophilie, Altes Staatsarchiv, Stockholm
Traumbilder, Museum auf Abruf, Wien
Sammlung II, Museum des 20. Jahrhunderts, Wien
1997
La piel de Frida, Galerie Gallo, Guadalajara, Mexico
Engel,Engel, Kunsthalle Wien;
Josefinum, Prag
1996
Reisehäute, Sanskriti Museum, New Delhi, Indien
Tu felix Austria nube, Museum of Modern Art, Salvador/Bahia, Brasilien
Galerie Steinek Wien,
19 Kuschelobjekte Kunsthalle Exnergasse
Bühnenbild & Kostüme
2003/04 Sudelküche Seelenruh, eine Komödie von Ronald Pohl,
Regie: Stephan Bruckmeier
für das Kunsthaus muerz, im Auftrag des steirischen Herbstes
Donaufestival, Korneuburg;
Theater Rampe Stuttgart, BRD
2004 Amerika, ein Roman von Franz Kafka, Regie: Helmut Berger
Volkstheater, Wien
2005 Lysistrate, eine Komödie von Gustav Ernst, Regie: Stephan Bruckmeier
Volkstheater, Wien
2010 Häusl am Oasch ein Musiktheaterstück von Ernst Molden,.
Regie:Thomas Gratzer , Rabenhof, Wien
Filme
1985 Leichenzüge, Realtrick, 16 Mm, Farbe, 4 Min
1986 Zwitscherer, Zeichentrick, 16 Mm, Schwarz-Weiß, 3 Min.
1987 Das 1x1 des glücklichen Lebens, Gemeinschaftsarbeit von 16 Studenten der Meisterklasse Prof.Maria Lassnig,
Produktion des ORF, 16 Mm, Farbe, 45 Min
1987/88 Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken, 16 Mm., Farbe, Regie Ernst Schmied jun .
2002 Putendämmerung", Experimentalfilm, 9 Min.
2006 Barocco, Experimentalfilm, 9 Min.
2007 Putenschnitte, Experimentalfilm, 18 Min.